Dies hier schreibe ich für meine liebe Oma. Oma ist nun sehr alt. Sie ist auch bereits Uroma. Sie wurde am 29. Dezember 1936 geboren. Sie hat den Zweiten Weltkrieg überlebt. Und sie hat Demenz im Endstadion. Ich muss es einfach so schreiben, denn nur so ist es mir möglich, mich mit gewissen Themen auseinanderzusetzen. Und in diesem Falle dem Tod.
Meine Oma ist immer eine Bezugsperson für mich gewesen, denn meine Kindheit war nicht immer perfekt. Da meine Mutter nach meiner Geburt ein Kindbett-Trauma erlitt, kümmerten sich meine liebe Oma und mein Opa um mich. Mein Vater war ein starker Alkoholiker und häufig war ich auch dann bei Oma und Opa. Ich kann mich glücklich schätzen, überhaupt noch eine Oma zu haben. Großmutter Christa ist als einzige noch am Leben, nachdem meine anderen Großeltern bereits verstorben sind. Sie lebt aber nicht mehr wirklich.
Inhaltsverzeichnis
Das Leben mit Oma
Ich weiß leider gar nicht so recht, welchen Beruf Großmutter erlernt hat. Was ich aber weiß, ist, dass sie mir unter anderem den Umgang mit Geld gelehrt hat und das Sparen. Großmutter hat mich zu dem Vertriebsprofi gemacht, welcher ich geworden bin. Und auch zu einem Sparfuchs erzogen. Sie hat immer eine Weisheit parat, wie es bei Omas nun einmal so ist. »Träume sind Schäume.« Ist einer davon.
Selbst die Art meiner Texte und Raps ist auch von ein wenig von Oma. »Wer baggert noch so spät am Baggerloch? Das ist der Stefan und der baggert noch.« Das war etwas, was ich wahrgenommen habe. Da konnte ich noch nicht einmal laufen. Aber daran erinnere ich mich, als wäre es erst gestern gewesen. Gestern, als mein Großvater mit mir mit dem Trabant um den Block fuhr, damit ich überhaupt einschlafe. Vorgestern, als mich meine Großmutter aufweckte, um mir das Feuerwerk an Silvester zu zeigen. Zwei Tage vorher hat sie Geburtstag.
Best Practices von Großmutter
Die Best Practices von meiner lieben Oma sind einfach und speziell. In der heutigen Zeit schimpft sich so etwas Lifehacks. Dinge, welche den Alltag leichter machen und auch dein Überleben sichern. Einige davon sind etwas ekelig. Zeigen aber Ihre Wirkung!
Urin auf Wunden
Ob es nun medizinisch belegt ist oder nicht. Egal, wenn oder wo ich mich verletzt habe. Oma meint immer: »Schnell, da musst Du jetzt draufpinkeln.« Heute würde ich es nur noch bedingt empfehlen. Bei einfachen, kleinen Kratzern hat es jedoch meist geholfen. Und Großmutter weiß es ohnehin besser.
Den Pfennig ehren
»Wer den Pfennig nicht ehrt, ist die Mark nicht wert.« Ein kleiner Spartipp von Oma. Einer von gefühlt einer Million. Heute, mit 40 Jahren, handele ich noch immer so. Für mich bedeutet es ebenso, dass man sich Geld hart erarbeiten muss. Dass eben kein Geld vom Himmel fällt und aber auch, dass Geld nicht alles ist.
Ich glaube, mir würden hier noch viele mehr einfallen, doch ich merke, dass ich mich beim Schreiben vor dem eigentlichen Thema drücken möchte. Und meine Oma ist anders.
Meine liebe Oma – ist anders
Mit Thomas hat sie zwar nichts gemein, aber sie ist anders. Auf der einen Seite ganz typisch. Auf der anderen ist es eben meine Großmutter. Der Track »Meine Oma und der SNES.« aus dem Jahr 2006 gibt genau das wieder, was ich mit ihr erlebt habe. Anfang der 90er Jahre hatte ich das Privileg, einen Super Nintendo zu bekommen. Geschenkt von Ihr. Dieser musste aber bei der Großmutter stehen. Warum?
Sie hat mehr damit gespielt als ich zu dieser Zeit. Rechnet einmal mit. Damals war sie ca. 60 Jahre alt und hat bis in die tiefe Nacht hinein gespielt. Es war durchaus möglich, dass sie mich dann um 3 Uhr am Morgen angerufen hat, um ein Level weiterzukommen.
Ganz anders. Während andere Omas immer auf gesunde Ernährung geachtet haben, wusste sie anscheinend bereits früh, dass wir irgendwann von chemischen Essen leben müssen. Oder hat sie es noch aus Kriegszeiten übernommen? Aus der Dose. Jedenfalls musste ich immer jede Kammer aus dem Mikrowellen-Essen zu mir nehmen. Auch das Grünzeug darin…
Katzen und Kaugummis
Oma hatte immer Katzen und Kaugummis. Das wird jetzt etwas verrückt, also nehmt euch gefälligst in Acht. Woher mag ich Katzen? Natürlich von Großmutter. Sie waren immer um mich herum. In den 80er Jahren hatte sie 2 Katzen. Cindy und Muschi. Richtig gelesen. Muschi war zudem auch noch unkastriert. Und das Schönste war immer, als diese rollig war. Dann gab mir Oma immer einen Stock in die Hand, mit welchem ich hinter ihr her lief, um die Sehnsucht zu befriedigen.
Warum habe ich angst vor Kaugummis? Oma hatte damals einen sehr ausgeprägten Vorbau. Das ultimative Versteck für den Kaugummi war zwischen Ihren Brüsten. Ich schrieb doch verrückt. Genau da durfte ich mir den Kaugummi holen. Echt verrückt. Aber eben die Eigenart meiner lieben Oma. Und jetzt ist der Spaß vorbei. Oma will nicht mehr leben. Sie kann nicht mehr leben.
Demenz im Endstadion – Meine liebe Oma
Ich glaube, es fing vor ca. 3 bis 4 Jahren an, als Großmutter das Erste vergessen hat. Seit vielen Jahren muss sie bereits verschiedene Medikamente nehmen. Bei alten Menschen ist das ebenso, habe ich mir immer gesagt. Sie stürzt nun häufiger. Egal, ob zu Fuß oder mit dem elektrischen Rollstuhl. Die Zeit von Corona war für sie das Schlimmste überhaupt. Ich vermute, für viele alte Menschen in Pflegeheimen… Dann habe ich angefangen danach im Internet zu suchen.
Stadien der Demenz
Je nach Quelle gibt es unterschiedliche Stadien der Demenz. Unterschiedliche Angaben des zeitlichen Verlaufs. Ich suchte mir immer die besten heraus. Die längsten Zeiten und die optimalen Bedingungen. Nun ist es leider so, dass Oma bereits 85 Jahre war, als es begann. Das ist mir erst heute klar geworden. Beim Schreiben dieser Zeilen. Und jetzt geht alles viel zu schnell.
Die letzten Monate und Wochen waren nicht leicht. Zuerst im Krankenhaus, dann wieder zuhause. Dann wieder im Krankenhaus.
Egoismus – Trauer
Meine liebe Oma lebt nicht mehr wirklich. Sie ist noch da. Diesen Sonntag besuchte ich sie wieder. Ich sagte ihr, dass sie essen muss. Das sie trinken muss. Ist es richtig, ihr nun Befehle zu geben, wie sie es bei mir gemacht hat, als ich noch ein Kind war? Immerhin hat sie die letzten Jahre immer wieder ein kindisches und auch stures Verhalten an den Tag gelegt. Am Sonntag Abend las ich dann diesen Beitrag: »Wenn der Körper nicht mehr will.« Ist es egoistisch, dass ich sie nicht gehen lassen will?
Ich wusste genau, was da auf mich zukommt, wenn ich hinfahre. Ich wollte es nicht sehen, wenn es ihr nun immer schlechter geht. Und das an jedem Tag. Ist das egoistisch? Das ich traurig darüber bin, dass ich meiner Oma jetzt die Schnabeltasse geben muss, wie diese einst mir die Flasche gegeben hat?
Ich möchte sie doch in positiver Erinnerung behalten. Doch sie verweigert vehement das Essen und will nur noch ein etwas trinken. Deutet es nun wirklich auf die letzte, die Sterbephase hin? Damit möchte ich mich nicht abfinden. Noch nicht. Aber diesen Zeitpunkt bestimme ich nun mal nicht.
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